Merinowolle: Alles über die Naturfaser

Als Anfang der 80er Jahre der Run auf die neuen Faserpelze und die dünne Funktionsunterwäsche aus Kunstfaser einsetzte, sah man mit einer Wollunterhose ganz schön alt aus. Endlich gab es eine elegante Alternative zu den oft recht klobigen und sehr kratzigen Stricksachen.

Kunstfasern sind auch heute noch angesagt: Sie sind strapazierfähig, ermöglichen guten Feuchtigkeitstransport und trocknen schnell. Funktionswäsche aus Polyester und Elasthan ist aus der Sportbekleidung nicht mehr wegzudenken. Aber der Trend geht teilweise wieder zurück zu Natur – zu Textilien aus hochwertiger Bio-Faser.

Was macht Merinowolle besonders?

Wolle wird schon seit 10.000 Jahren für Herstellung von Kleidung verwendet – ein echter Traditionswerkstoff also, auf den man sich auch im High-Tech-Zeitalter wieder besinnt. Besonders im Trend ist dabei die superfeine Merinowolle. Ihr Lieferant, das Merinoschaf, stammt wohl ursprünglich aus Nordafrika. Erste größere Herden gab es im Mittelalter in Spanien. Heute kommt die meiste Merinowolle aus Australien. Nur zwei bis vier Kilogramm wiegt der native Pullover eines solchen Feinwollschafes nach der kompletten Schur.

Ihr geringes Volumengewicht verdankt die Merinowolle ihrer außerordentlich feinen Faser: Nur 16 Mikrometer, also 16 tausendstel Millimeter, misst ein Merinohaar der allerfeinsten Sorte, wie sie gerade für die Wäscheproduktion verwendet wird. Dagegen wirkt der menschliche Kopfbewuchs mit etwa 100 Mikrometern schon fast wie ein Bindfaden. Merinowolle ist weich und seidig im Griff. Sie trägt sich auch sehr angenehm direkt auf der Haut – kein Vergleich zu den groben Juck-Wollmützen, die viele noch aus ihrer Kindheit in unangenehmer Erinnerung haben.
Geschorene Merinowolle in der Nahaufnahme.
Ein Mann und eine Frau spielen im Schnee in Merinowolle Unterwäsche.

Seidige Mikrostruktur - Kräuseln macht warm

Die feine Mikrostruktur der Merinowolle hat aber noch eine weitere Besonderheit: Sie kräuselt sich mit bis zu 40 Richtungsänderungen – pro Zentimeter. Dieses Aufbauschen macht die Wolle angenehm zu tragen, weil sie nur auf einer sehr geringen Fläche tatsächlich auf der Haut aufliegt.

Das Material ist zudem wasserabweisend, weil größere Tropfen nur eine sehr geringe Angriffsfläche haben und aufgrund ihrer Oberflächenspannung sofort abperlen. Diesen Effekt kennt man auch bei Pflanzen mit feinen Härchen an der Blattoberfläche.

Gute Regulationseigenschaften - Auch in feuchtem Zustand

Der Hauptvorteil der flauschigen Struktur ist aber der gute Lufteinschluss. Merinowolle hat damit sehr gute Wärme-Regulations-Eigenschaften: kühl im Sommer, warm im Winter. Merinowolle bietet im Vergleich zu anderen Naturfasern den Vorteil, dass sie ihre guten Materialeigenschaften auch in feuchtem Zustand behält.

Während ein Baumwoll-T-Shirt schon nach kurzer Anstrengung am Körper klebt wie ein nasser Wadenwickel, bleibt Merinowolle immer locker-flockig, auch wenn sie bereits 30 Prozent ihres Eigengewichtes an Feuchtigkeit aufgenommen hat. Merinowolle kann Feuchtigkeit sowohl in der Faser selbst als auch in den Zwischenräumen sehr gut absorbieren.

Der Schweiß wird dann entlang des Konzentrationsgefälles in die äußeren Schichten weitergeleitet, wo er schnell verdunstet. Die Feuchtigkeitsaufnahme ist übrigens ein exothermer Prozess, die Wolle erwärmt sich also, während sie feucht wird.
Eine Frau sitzt lachend auf eine Holzstuhl.
Ein Mann und eine Frau albern um ein Zelt herum. Sie tragen Merino Funktionsunterwäsche.

Geruchsneutral - Auch bei Mehrtages-Touren

Punkten kann die Merinowolle auch auf gesellschaftlicher Ebene. Wenn der treue Bergkamerad – abseits gefährlicher Gletscherspalten – eine ganze Seillänge Abstand hält, dann liegt das nämlich nicht selten am Kunstfaser-Shirt des Vordermanns. Gerade billige Synthetik-Funktionskleidung entwickelt, ehe man sich’s versieht, ein Aroma, das an ranzige tibetische Yak-Butter erinnert. Denn der aufgesogene Schweiß wird von Mikroorganismen schnell zersetzt. Das Ergebnis sind kurzkettige Aminosäuren – und die riechen eben alles andere als angenehm.

Dieser Effekt lässt sich durch bestimmte Zusätze oder das Einweben antibakteriell wirkender Silberfasern zwar verringern. Dennoch muss Funktionsbekleidung aus Kunstfaser bald nach dem Tragen gewaschen werden, sonst fällst du unangenehm auf. Aber gerade auf längeren Touren hat man ja nicht immer eine Waschmaschine im Rucksack. Hier bist du mit Merino-Unterwäsche klar im Vorteil. Die feine Wolle ist von Natur aus antibakteriell.

Sie riecht auch nach der fünften Überquerung allenfalls ein wenig nach Baby – und das weckt gerade bei vielen weiblichen Expeditionsteilnehmern eher den Kümmerer-Reflex als Antipathie.

So pflegst du Merinowolle richtig

Ganz ohne Waschen geht es natürlich auch bei der Merinowolle nicht. Hier solltest du in jedem Fall die Pflegeanleitung genau lesen. Die meisten Textilien aus Merinowolle lassen sich normal in der Waschmaschine waschen.

Ob ein spezielles Wollwaschmittel oder Handwäsche erforderlich ist, steht ebenfalls im Wäscheetikett. Bei höheren Temperaturen neigt die Wolle allerdings zum Einlaufen. In den Wäschetrockner solltest du dein neues Merino-Shirt also auf keinen Fall geben.

Bleibt noch die Sache mit den Kügelchen. Das sogenannte Pilling entsteht, wenn sich besonders kurze Fasern aus dem Gewebeverbund lösen und dann an der Oberfläche zu Knötchen verfilzen. Das tut der Funktion natürlich keinerlei Abbruch, sieht aber nicht gerade schön aus. Neue Merinosachen solltest du daher spätestens nach dreimaligem Tragen zum ersten Mal waschen. Dabei lösen sich die zu kurzen Fasern, bevor sie die unschönen Auswüchse bilden können. 


Tipp von der Hausfrau:
Das Entfusseln kann man unterstützen, indem man die Merinowäsche zusammen mit etwas gröberem Bauwollgewebe wäscht, an der sich das Wäschestück reiben kann. Hier eignet sich zum Beispiel eine schon öfter gewaschene Jeans (unbedingt den Reißverschluss zumachen) oder auch ein Polohemd aus Piqué.

Ein Mann trägt Funktionsunterwäsche aus Merinowolle und steht dabei im Freien während es schneit.

Merinowolle bei SportScheck

Reine Merinowolle oder Mischgewebe: Es gibt viele Marken auf sportscheck.com, die Merinowäsche anbieten. Da ist für jeden Geschmack und jede Anforderung etwas dabei. Wer hier einmal ein wenig stöbert, sieht schnell, dass die Naturfaser zudem in puncto Style mehr zu bieten hat als die Bommelmütze von der Schwiegermutter.

Mit dem pflaumenfarbenen Troyer „Ulriken“ von Bergans zum Beispiel macht Frau während und nach der Tour eine gute Figur. Auch für Herren sind die Zeiten von Spießer-Rolli oder Elchmuster vorbei. Von Rewoolution gibt es das praktische und elegante Polo-Shirt unter anderem in Merino. Merke: Man kann bei der abendlichen Hüttengaudi auch in Gammel-Pullover und sonstigem Räuberzivil aufkreuzen – man muss es aber nicht.